Reisebericht Scoresbysund 2024

Martin Skjeldal 22.01.2025

Eine Zoom Fotoreise ganz nach meinem Geschmack war unsere Tour auf der Segelyacht Vera durch den Scoresbysund. In dieser abgelegenen Region bekommt man einen Eindruck vom Leben der ersten Entdecker und es beschleicht den Reisenden ein Gefühl von Freiheit. Mehr dazu in diesem Reisebericht.

Wenn man mich fragt, welche Reise beziehungsweise welche Destination mir bisher am besten gefallen hat, bekommt man für gewöhnlich keine eindeutige Antwort. Nach etwas Zögern kann ich dann aber einige persönliche Lieblingsreisen aufzählen. Natürlich ist das ganz subjektiv und liegt auch an meinen persönlichen Vorlieben und Interessen. Ganz weit oben, zumindest unter die ersten drei, kommt bei mir die Ostgrönland Tour 2019 durch die Gegend von Kulusuk und Ammassalik. Die Abgeschiedenheit, die Weite und die Bergwelten sind für mich die perfekte Mischung aus Abenteuer und Fotografie. Wo es nicht einmal richtige Trails gibt, sind noch nicht viele andere gewandert und das verleiht den Landgängen eine ganz eigene Faszination. Dazu kommt die spezielle Atmosphäre auf einem Expeditionsschiff. Es ist für mich die schönste Art zu reisen. Dieses Mal ging es also noch ein Stück weiter nach Norden, in den größten Fjord der Welt, den Scoresbysund. Unser Schiff war dieses Mal die schöne Segelyacht Vera. Eine Nummer kleiner als die Arktika, dafür etwas schicker und durchweg mit Doppelkabinen und Privatbädern. Insgesamt also ein Stückchen komfortabler. Und obwohl das Essen beim letzten Mal alles andere als schlecht war, gab es dieses Mal noch ein großes Upgrade. Unsere Köchin Val, gebürtige Italienerin, hat uns täglich verwöhnt mit köstlichem Essen, das man so weit weg von jeglicher Zivilisation sicher nicht erwarten durfte. Über die Logistik eines solchen Unterfangens (wochenlang ohne Einkaufsmöglichkeiten und Supermarkt) ließe sich problemlos ein eigener Blogbeitrag füllen. Besonders erstaunlich war diese Art der Verpflegung auch wenn man bedenkt, dass wir kein Kreuzfahrtschiff bewohnten und der Platz auf einer Oyster 68 doch sehr begrenzt ist.

Bevor wir jedoch in den Genuss all dieser Annehmlichkeiten kamen, mussten wir erstmal über Reykjavik nach Constable Point anreisen. Und das sollte sich als komplizierter erweisen als gedacht. Der grönländische „Flughafen“ mit diesem klangvollen Namen besteht nämlich nur aus einer unbefestigten Landebahn, die bei zu viel Regen nicht mehr für Start und Landung nutzbar ist. Und wie es das Schicksal so wollte, regnete es heftig am Tag unserer geplanten Anreise, sodass wir diese um einen Tag verschieben mussten. Die Belohnung für diese Verzögerung war jedoch reichhaltig. Traumhafte Bergwelten im schönsten Licht, riesige Eisberge und zur Krönung noch die Aurora Borealis an einem Ort, der auch am Tag schon eine große Magie verströmte. Unsere Ankerplätze waren schon atemberaubend. Einzig der erhoffte Eisbär wollte uns nicht vor die Linse treten. Besonderer Dank geht an dieser Stelle nochmal an meine Reisegruppe, die sich von der ersten Enttäuschung über den abgesagten Grönlandflug nicht aus der Fassung bringen ließ und auf dem Schiff für eine entspannte und freundschaftliche Atmosphäre sorgte.

Was mir besonders in Erinnerung bleiben wird, sind auch dieses Mal wieder die Wanderungen durch die wilde, unberührte Natur Grönlands. Trotz der für uns lebensfeindlich erscheinenden Bedingungen gibt es nicht nur einige tapfere Menschen, die diesen Umständen trotzen, sondern auch einige Tiere. Fotografieren konnten wir unter anderem eine Herde Moschusochsen. Und der neugierige Polarfuchs, der sehr zur Verwunderung meiner Teilnehmer auf uns zugelaufen kam, zählte sicher zu den schönsten Überraschungen, die Grönland für uns bereithielt. Und nein, es war nicht die Tollwut, er hat natürlich einen respektvollen Abstand zur Gruppe bewahrt, denn allzu viele Menschen sind ihm hier sicher noch nicht begegnet. Man hat noch nicht versucht ihn anzufüttern, wodurch sich das artfremde Verhalten andernorts schnell erklären lässt.

Die Farben Grönlands sind außerdem wunderschön. Wo man eigentlich nur Felsen, Eis und Schnee erwartet, konnten wir durch herbstlich gefärbte Flechten, Büsche und Wiesen wandern. Dabei konnte man unsere Segelyacht aus der Ferne meist ausmachen, was uns das unheimliche Ausmaß der Landschaften erst so richtig verdeutlichte. Besonders der Tag durch den vergleichsweise schmalen Øfjord bleibt in dieser Hinsicht in Erinnerung. Vorbei an Granitwänden, die bis zu 2.200 Meter aus dem Meer ragen (der Fjord war hier außerdem 1.000m tief) und von Gletschern durchzogen sind, kam man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Es sind Anblicke die uns als Betrachter sprachlos machen. Eines der zwei Schiffe, die wir an diesem Tag antrafen, war ein ziemlich großes dreimastiges Segelschiff. Trotzdem war es zwischen den Eisbergen vor der steilen Felswand kaum auszumachen. So wird dem Betrachter schnell klar wie klein und unbedeutend wir Menschen sind im Anblick dieser Bergwelten.

Die Eisberge sind natürlich ein Thema für sich. Sie sind die ständigen Begleiter in den Fjorden Ostgrönlands und erfordern nicht nur die besondere Aufmerksamkeit von Fotografen, sondern auch von Skippern. Eisberge erscheinen in den Fjorden in allen denkbaren Größen und Formen und sind wunderbare Fotomotive. Das Faszinierende ist ihre stetige Veränderung, denn morgen sehen sie schon wieder anders aus. Somit sind Eisberge auch ein faszinierendes Motiv der Vergänglichkeit. Wo es geht versucht man als Fotograf eine Referenz als Anhaltspunkt für ihre Größe zu schaffen. Nicht immer hat uns Kapitän Thorkell erlaubt nah an die Eisriesen heranzukommen, denn ein Abbruch oder ein Rollen des Eisberges kann fatale Auswirkungen haben. Manches Exemplar hat die Größe eines Schlosses. Wieder ist man sprachlos ob der Schönheit dieser Augenblicke. Eines der schönsten Erlebnisse unserer Ostgrönland Fotoreise von 2019 war die Fahrt durch den Fjord bei Tiniteqilaq, der von einem Gletscher mit einer großen Anzahl Eisberge geschmückt wird. Wir durchquerten ihn im goldenen Licht der untergehenden Sonne, während unser Schiff die dünne Eischicht der Fjords mit einem stetigen Knacken durchbrach. Ähnlich verlief dieses Mal die morgendliche Fahrt durch den Rødefjord, in dem ebenfalls einige riesige Eisberge parkten und der teilweise von einer dünnen Eisschicht überzogen war.

Nachdem wir meist nicht ideale Bedingungen zum Segeln hatten (entweder kein Wind, oder aus der falschen Richtung), konnten wir dann am letzten Tag endlich noch um einen riesigen Eisberg herum segeln, während uns Svennie, unser sympathischer isländischer Guide in zwei Gruppen mit dem Zodiac die richtigen Perspektiven verschaffte. Entsprechend zufrieden konnten wir dann ob der Fotoausbeute unsere Heimreise antreten.

Für meinen Geschmack etwas zu kurz gekommen sind dieses Mal die Begegnungen mit Einheimischen. Das liegt auch daran, dass es hier so gut wie keine Siedlungen gibt. Die wenigen Häuser, die man am Ufer ausmachen konnte, sind verlassene Jagdhütten. Die einzige Siedlung im Scoresbysund ist der 350 Einwohner Ort mit dem klangvollen Namen Ittoqqortoormiit. Unser kurzer Besuch zur blauen Stunde war trotzdem interessant, denn man konnte einen kleinen Einblick in die Lebensweise und die Lebensbedingungen der Grönländer erhalten. Die Schlitten und Schneemobile, die vor jedem Haus parkten, würden schon bald wieder im Einsatz sein, denn im September ist der Sommer vorbei und dann regieren für 10 Monate wieder Schnee und Eis. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt waren die Jugendlichen teils nur mit Kapuzenpullis unterwegs. Alles eine Frage der Akklimatisierung. Apropos Klima: der Eispanzer Grönlands geht stetig zurück. Wer das alles noch einmal erleben und fotografieren möchte, den lade ich herzlich ein im September 2026 im Scoresbysund dabei zu sein.

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