Unsere Ostgrönland Fotoreise hat alle Erwartungen meilenweit übertroffen! Das Expeditionsschiff Arktika war unsere mobile Basis und zugleich das perfekte Fotomotiv in den riesigen Fjorden, zwischen Eisbergen und steilen Bergwänden und für außergewöhnliche Erkundungen knapp unterhalb des Polarkreises. Egal ob vom Schiff, auf Wanderungen oder mit den Kajaks, das nächste tolle Fotomotiv war nie weit entfernt.
Nach diesen überwältigenden Eindrücken stellt sich wieder einmal die Frage: Wie soll man nur derart außergewöhnliche Reiseerlebnisse halbwegs objektiv schildern? Am Ende waren wir uns alle einig: Es war eine außergewöhnliche Fotoexpedition bei der einfach alles gepasst hat. Ein Blick in die Gesichter meiner Teilnehmer während des Abschlussabendessens in Reykjavik war ziemlich eindeutig. Wir waren alle noch total angetan von den vielen einmaligen Erlebnissen. Fest stand für uns ganz sicher: Was wir an der Ostküste Grönlands erleben und fotografieren durften, hätte eigentlich auch zwei Fotoreisen gebührend ausgefüllt.
Wo fängt man also am besten an? Vielleicht beim Offensichtlichen: Was Ostgrönland als Reiseland so attraktiv macht, ist zunächst die besondere Lage fernab von Städten und Ballungszentren. Reykjavik liegt etwa 700 Kilometer Luftlinie von unserem Ausgangsort Kulusuk entfernt. Grönland hat als größte Insel der Erde zudem die geringste Bevölkerungsdichte, wenn man die Antarktis mal außen vorlässt. Zur Verdeutlichung: Die gesamte Küste Ostgrönlands hat bei einer Länge von etwa 3.000 Kilometern nur rund 3.500 Einwohner. Die Landmasse Grönlands liegt außerdem zu 80% unter einem mächtigen Eisschild (Tendenz fallend) und deshalb sucht man Straßen dort auch vergebens. Die bevorzugte Art der Fortbewegung durch die zerklüfteten Fjordlandschaften ist im Sommer per Boot und die übrige Zeit per Schlittenhund. All das machte Ostgrönland für uns zum perfekten Reiseziel, denn eines war vorher schon klar: hier findet man noch Abgeschiedenheit und Naturerlebnis in Reinform! Mit unserem Expeditionsschiff hatten wir zudem das perfekte Fortbewegungsmittel und die bestmögliche Unterkunft zugleich.
Ein Blick auf die Landkarte offenbart dem Betrachter neben der Abgeschiedenheit der Region auch ein sehr verführerisches Versprechen: Hier ist einer der wenigen Orte auf der Welt, der vom Tourismus noch verschont worden und deshalb noch weitgehend unberührt sind. Ich würde sogar sagen in Ostgrönland lockt noch echtes Abenteuer. Eine Vorahnung davon bekommt man gleich nach Ankunft am Flughafen Kulusuk. Nach der Landung auf einer unbefestigten Landepiste betritt man ein kleines Flughafengebäude, das sicher nicht dafür ausgelegt ist, eine größere Anzahl an Passagieren zu empfangen. Und im September gibt es sowieso keine täglichen Flüge mehr, sodass man davon ausgehen kann nicht allzu viele andere Reisende anzutreffen. Unsere Landgänge in freier Wildbahn machten wir an Orten, an denen es nicht einmal Wanderwege gibt. Man hatte vielmehr häufig das Gefühl, als gehöre man zu den ersten Menschen, die an diesen Ankerplätzen überhaupt je einen Fuß an Land gesetzt haben.
Die Wanderungen brachten uns dann zu Aussichtspunkten, die den Blick auf atemberaubende Fjordlandschaften freigaben. So konnten wir grandiose Panoramen über Gletscher, Fjorde und Eisberge genießen und fotografieren. Und inmitten dieser Berg- und Fjordlandschaften ankerte stets unsere Homebase, das Expeditionsschiff Arktika, das dem Betrachter die Ausmaße dieser riesigen, wunderbaren Landschaften verdeutlichte. Überhaupt ist es ein ganz besonderes Gefühl in einem abgelegenen Fjord im Rumpf eines Schiffes zu übernachten, umgeben von steilen Felswänden. Abends noch die Nordlichter bestaunen und dann am nächsten Morgen an Deck wieder frische Morgenluft schnuppern, Sonnenstrahlen aufsaugen, bereit für die nächste Wanderung zu einem Aussichtspunkt, der alle Probleme der Welt in weite Ferne rückt. Zwischendrin hatten wir immer wieder Ausfahrten mit den Kajaks, die eine tolle Abwechslung darstellten und uns eine weitere spannende Perspektive auf Eisberge und Gletscher verschafften.
So hatte jeder Tag seinen ganz eigenen Höhepunkt. Das lag auch daran, dass wir durch die Landgänge in den Siedlungen immer wieder eine schöne Abwechslung zu den wunderbaren Naturerlebnissen hatten. Man merkt durch die Begegnungen mit den Einheimischen sehr schnell, wie selten es Besucher nach Ostgrönland verschlägt. Vor allem die Jugendlichen und die Kinder sind total neugierig und so kommt man relativ schnell in Kontakt, trotz unüberwindbarer Sprachbarriere. Für die Street- und Porträtfotografie waren diese Voraussetzungen trotzdem ideal, denn man kann sich sein Einverständnis auch nonverbal holen und die Kinder schauen sowieso immer neugierig auf die Displays, oder möchten am liebsten gleich selbst den Auslöser drücken. So hatten am Ende allen ihren Spaß!
Wenn ich nun ein Erlebnis aus dieser zweiwöchigen Fotoexpedition hervorheben müsste, dann wäre es sicherlich die Fahrt durch den großen Sermilik Fjord, auf dem Unmengen Gletschereis und Eisberge trieben. Dazu war der Fjord noch von einer dünnen Eisschicht überzogen, da das Schmelzwasser, das auf der Wasseroberfläche treibt, schon bei Temperaturen knapp unter null Grad gefriert. Die Geräuschkulisse des knackenden Eises durch das sich die Arktika ihren Weg bahnte, dazu das beste Licht das man sich als Fotograf nur wünschen konnte. Das waren Erlebnisse, die unvergesslich sind. Zusammen mit den umliegenden Bergen ergab dies eine Kulisse, die man sich besser nicht hätte vorstellen können. Nur für Kapitän Oli am Steuer der Arktika war es natürlich Schwerstarbeit, unser Schiff durch diesen Eisfjord zu manövrieren. Seine Reifeprüfung hat er definitiv bestanden, auch wenn es gelegentlich unumgänglich war eine kleine Eisscholle zu touchieren.
Überhaupt waren wir super zufrieden mit der Crew. Da waren neben Oli auch noch Lauri und Veigar. Lauri, ein junger Finne, war unser Maat auf dem Schiff. Ein Teilnehmer bezeichnete ihn treffender weise als eine Art Schweizer Taschenmesser, denn er ist definitiv eine Allzweckwaffe. Neben hervorragender Segelkenntnisse war er auch am Steuer des Dinghy sehr versiert und konnte unter anderem auch die leckersten Kuchen und Nachtische zaubern. Zwischendrin ist er dann auch mal nachts zur Schiffsschraube getaucht, um sie von einem Fischernetz zu befreien. Veigar war hauptsächlich für die Versorgung der Gruppe zuständig und hat das auf engem Raum auch super gemacht. Wobei man auch sagen muss sowohl die Crew untereinander, als auch meine Teilnehmer haben sich super ergänzt und unterstützt, sodass wir an Bord immer gute Stimmung hatten.
Eisberge treiben im großen Sermilik Fjord. Am selben Tag sind wir mit dem Schiff noch durch diesen Fjord gefahren. Ein einmaliges Erlebnis!
Kurios ist für den Erstbesucher Grönlands auf jeden Fall ein Besuch der örtlichen Supermärkte. Sie sind zwar recht klein, warten aber trotzdem mit ziemlich breit aufgestellten Sortimenten auf. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Region sind Produkte, die für uns zum täglichen Bedarf gehören, in Grönland sehr teuer. Für den europäischen Besucher sind vor allem die Regale mit den Schusswaffen ein verrückter Anblick. Dies war eines von mehreren Indizien für die Tatsache, dass es doch einige kulturelle Unterschiede in der Lebensweise gibt. Auch die Art und Weise wie mit Müll umgegangen wird, sorgte an manchen Stellen für Verwunderung. Leider wird er häufig achtlos weggeworfen. Aufgrund dessen war es gut am vorletzten Tag noch Dines zu treffen, einen Grönländer, der bekannt ist wie ein bunter Hund. Er hat der Gruppe dann verdeutlicht was es bedeutet durch eine Zeit von derart schnellem Wandel zu gehen. Während sein Vater noch komplett ursprünglich lebte, gibt es heute moderne Kommunikation, Autos und sogar die ersten Touristen. :)
Dines ist schon ein einmaliger Typ. Er konnte unter anderem verschiedene dänische Regierungsmitglieder und sogar Präsidenten treffen, war in einer Ricola Werbung zu sehen und ist mehrfacher Meister im Schlittenhunderennen. Als Botschafter der Inuit hat er es im Austausch mit den Maori sogar schon bis nach Neuseeland geschafft. Dabei stellte der Stopover in Singapur für einen Grönländer temperaturbedingt schon eine größere Herausforderung dar, wie er uns berichtete. All diese Erlebnisse sind durch zahlreiche Fotos auf seinem Smartphone dokumentiert. Und ganz nebenbei spricht Dines auch noch verschiedene Fremdsprachen. Bei einem Besuch bei seinen Schlittenhunden (27 an der Zahl!), konnte er uns also ganz gut vermitteln wie hin- und hergerissen vor allem die jungen Grönländer sein müssen. Ende der 80iger Jahre lebte man in Ostgrönland noch total abgeschnitten von der Außenwelt und entsprechend ursprünglich. Heute sieht man Jugendliche, wie sie auf ihren Smartphones Musikvideos auf YouTube schauen.
Zumindest in Tasiilaq, wo wir Dines trafen, konnte man das ganz gut beobachten. Mit 2.000 Einwohnern ist es die größte Stadt Ostgrönlands. Sie bildet das administrative Zentrum der Region. Hier gibt es geteerte Straßen und man kann sich in eines von zwei Hotels der Ostküste einquartieren. Was mir von der Begegnung mit Dines aber am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist ganz sicher sein Händedruck. Während ich und meine Teilnehmer bei untergehender Sonne langsam zu frieren begannen (trotz der Ankündigung es könnte frisch werden und entsprechend warmer Kleidung), hatte Dines zur Begrüßung erstmal seine Jacke abgelegt und uns mit dem wärmsten Händeruck begrüßt, den ich persönlich je erlebt habe.
Welche Herausforderung das Leben in einer Region darstellt, die die meiste Zeit des Jahres unter einer stattlichen Schneedecke liegt, kann man sich kaum vorstellen, denn wie gesagt, in Grönland kann man nicht so einfach Lebensmittel importieren. Alles muss entweder tagelang auf dem Seeweg transportiert oder eingeflogen werden und so sind Nahrungsmittel, die für uns selbstverständlich sind, in Grönland für die meisten Menschen unbezahlbar. Die Ernährung besteht deshalb zum größten Teil aus allem was das Meer hergibt. Den Geruch der Siedlungen bildet dadurch eine Mischung aus Fisch und Walfleisch. Vor fast jedem Haus findet man Fische, die zum Trocknen aufgehängt wurden. Außerdem werden auch die vielen Schlittenhunde, die in Grönland überall um die Siedlungen an Ketten gehalten werden, genauso ernährt wie die Einheimischen. Dadurch liegt praktisch überall Walfleisch herum. Und die Hunde sorgen mit ihrem Gejaule und Gebell für die charakteristische grönländische Geräuschkulisse!
Ein Vorteil des Klimas ist die Tatsache, dass der Kühlschrank für Grönländer draußen ist. Das führt unter anderem zu einem Anblick, der aus unserer Sicht ziemlich gewöhnungsbedürftig ist: Bei vier Grad Wassertemperatur werden die Kadaver von Walen und Robben einfach unten am Steg angebunden, um sie für den Verzehr frisch zu halten. Dazu muss man natürlich sagen, dass Wale und Robben für Grönländer seit jeher zur Lebensgrundlage gehören. Dabei wird im Grunde auch alles verwertet, sei es das Fleisch für Mensch und Schlittenhund, oder das Robbenfell als wärmendes Kleidungsstück. Aus den Knochen wurde früher zudem Werkzeug hergestellt, denn auch Bäume wachsen in Ostgrönland nicht. Der Anblick toter Wale und Robben hat bei uns trotzdem etwas Unbehagen ausgelöst. An einem Ort, an dem außer wilden Beeren aber so gut wie nichts Essbares wächst, wo man weder Viehzucht noch Ackerbau betreiben kann, da muss man nehmen was man kriegt und das sind in Grönland nun mal vor allem Fisch und andere Meeresbewohner.
Aber zurück zu den fotografischen Themen! Das Wetter in Ostgrönland ist im September ein bisschen wie eine Fotografen-Wundertüte. Deshalb habe ich diesen Monat bewusst ausgewählt. Wir hatten einen guten Mix aus allem was das Fotografenherz begehrt. Leichte und lockere, wechselnde Bewölkung, tolle Kontraste, dazwischen immer mal Abschnitte mit Sonnenschein. An einem Tag gab es auch mal Schnee und ab und zu auch Hochnebel, durch den sich das Sonnenlicht wunderbar diffus über die Landschaften legte. Manche Lichtsituation hatte geradezu etwas surreales, traumähnliches. Überhaupt gibt es zu dieser Jahreszeit eigentlich nur kurz um die Mittagszeit (für den Fotografensnob) unbrauchbares Licht. Den weitaus größten Teil des Tages konnten wir uns wunderbar fotografisch austoben. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass wir kaum flaches Licht oder Regen hatten. Ein weiteres Plus im September ist die Nordlichtsaison, die bereits wieder begonnen hat, da die kurzen Sommernächte dann vorbei sind. Und auch in dieser Hinsicht haben wir bekommen was wir wollten: Die wunderbare Aurora Borealis in super starker Ausprägung.
Natürlich gab es auch Momente, die uns ein wenig nachdenklich stimmten. Vor zehn bis fünfzehn Jahren reichten die Gletscher noch bis an unsere Ankerplätze. Und ich kann euch als seriöser Veranstalter versichern: wir haben nicht in unmittelbarer Nähe der riesigen Gletscherwände geankert, sondern mit entsprechendem Sicherheitsabstand. Eine Zahl fand ich bei dem Gedanken an den Eispanzer Grönlands besonders eindrücklich. Sollte das Eisschild Grönlands komplett abschmelzen, dann würde der Meeresspiegel um sechs Meter ansteigen. So kämen wir hier in Frankfurt endlich in den Genuss eines Nordseestrandes, wobei ich nicht sicher bin, ob man sich darüber dann noch freuen könnte. Im Ernst: auch wenn es nur die Hälfte wäre, dann würde das schon kaum vorstellbare, tiefgreifende Veränderungen für unseren Planeten bedeuten. Und unsere Crew kennt die Ankerplätze schon seit längerer Zeit und konnte den Gletschern in den letzten Jahren beim Abschmelzen zuschauen. Die Tragödie nimmt ihren Lauf und trotz des komischen Gefühls, das einen dabei beschleicht, ist man irgendwie froh das alles noch so gesehen zu haben, wie es heute aussieht. Einfach wunderschön!
Was bleibt also in Erinnerung? Auf jeden Fall eine Fotoreise, die nicht nur unsere fotografischen Wünsche voll erfüllt hat, sondern auch alle Teilnehmer nachhaltig beeindruckte. Denn neben den vielen schönen Fotos, die unterwegs entstanden sind, hat uns Grönland auch tief berührt. Und davon zehrt man sein Leben lang. Wenn man mal ehrlich darüber nachdenkt, dann ist das im Grunde auch wichtiger, als ein gewachsenes Bildarchiv, auch wenn das natürlich sehr schön ist! :) Mein Ziel ist es jedenfalls euch nicht nur die bestmöglichen Fotobedingungen zu bieten, sondern auch ein Bewusstsein für Land und Leute zu schaffen. In diesem Sinne denke ich: Mission erfüllt!